24.08.2016

Bayerns Urwälder von morgen

Die bayerische Staatsregierung hat einen dritten Nationalpark für den Freistaat beschlossen. Vor allem im Spessart regt sich allerdings Widerstand, auch aus der CSU. Wissenschaftler befürchten gar, ein solches Projekt könne der Artenvielfalt schaden. Umweltministerin Ulrike Scharf dagegen fordert ein "Ausrufezeichen beim Naturschutz".

Das Land nördlich der Alpen schildert der römische Geschichtsschreiber Tacitus in seinem Werk „Germania“ als Gebiet voll endloser Wälder und Sümpfe: „Der allgemeine Charakter ist schauriger Urwald und düsterer Moorgrund.“ Nach Gallien hin werde das Klima feuchter, in Noricum – einem keltischen Gebiet im heutigen Bayern und in Österreich – sei es „vorherrschend windig“. Der neuzeitliche Bestseller-Autor Peter Wohlleben beschwört in seinem Buch „Das geheime Leben der Bäume“ die Seele des deutschen Waldes: „Bäume, die miteinander kommunizieren. Bäume, die ihren Nachwuchs, aber auch alte und kranke Nachbarn liebevoll umsorgen und pflegen. Bäume, die Empfindungen haben, Gefühle, ein Gedächtnis.“

Die Sehnsucht des modernen Menschen

Solche Beschreibungen, aber auch das Unbehagen an der industrialisierten Kultur-Landschaft nähren die Sehnsucht vieler Menschen nach dem unberührten Ur-Wald, nach heil gebliebener Natur. Zur Römerzeit waren nach Expertenschätzung 90 Prozent des heutigen Deutschland von Wäldern bedeckt. Überwiegend voller Buchen. Inzwischen ist der Waldanteil am Bundesgebiet auf ein Drittel geschrumpft. Was für ein Versprechen da die Vokabel „Nationalpark“ transportiert. In ihr lebt Tacitus‘ antikes Germania-Bild weiter, sie lässt an die Weiten der USA denken. Yosemite, Yellowstone. „Die Nationalparks in Amerika sind noch sehr ursprünglich“, erklärt Reinhard Mosandl, Professor für Waldbau an der TU München, „aber bei uns gibt es das nicht mehr.“ Viele Menschen hofften auf einen „Urwald von morgen“, urwüchsig und fern der Zivilisation, glaubt der Forstwissenschaftler. Wenn solche mythischen Naturgebiete in Deutschland ausgestorben sind – könnte man sie nicht zu neuem Leben erwecken?

Nummer drei

Zwei solcher Nationalparks gibt es bereits im Freistaat, im Bayerischen Wald und in den Berchtesgadener Bergen. Einen weiteren hat die Staatsregierung auf ihrer Kabinettsklausur am Tegernsee Anfang August angekündigt. „Ich bin fest entschlossen, dass wir einen dritten Nationalpark gründen“, sagt Ministerpräsident Horst Seehofer. Eine Fokussierung auf eine bestimmte Region gebe es nicht, aber denkbar wäre eine grenzüberschreitende Lösung zu anderen Bundesländern. Seit diesem Beschluss kreist die Diskussion vor allem um zwei potenzielle Kandidaten: den Naturpark Spessart und das Biosphärenreservat Rhön. Den Steigerwald, dessen mögliche Verwandlung in einen Nationalpark seit langem heftig umstritten ist, schließt Seehofer bereits kategorisch aus...

aktualisiert von Markus Ehm, 02.09.2016, 09:09 Uhr